Storchenhochburg Isny? Vor ein paar Jahren noch unvorstellbar. Aber das, was sich in den letzten Wochen hier abgespielt hat, das ist unglaublich, das kann man mit Bildern und Worten kaum beschreiben.
Wir hatten in diesem Jahr 7 Brutpaare, die 16 Jungstörche erfolgreich aufziehen konnten. Rekordhalter waren Paul mit seiner 20jährigen Ehestörchin Julia, die vier Wonneproppen groß zogen. Inzwischen sind alle Jungstörche ausgeflogen. Einen kleinen Bruchpiloten hatten wir dabei. Sarah, Storchenkind von Paul und Juia, legte eine Notlandung in einem klitzekleinen Innenhof des Gymnasiums hin, da kam sie aus eigener Kraft nicht mehr raus. Zum Glück war sie unverletzt, ich konnte sie leicht einfangen und sie in den nahegelegenen Feuchtwiesen in die Freiheit entlassen, etliche Schulkinder begleiteten uns.
Dann kamen im Juli die vielen störchischen Übernachtungsgäste. 10 - 15 waren es zunächst. Ich war dann jeden Abend mit der Kamera unterwegs um die Ringe zu fotografieren - mein persönliches Hobby. Und was sich da herausstellte, das war schon sensationell! Es waren zuerst fast nur Einjährige, also die Halbstarken, die durch's Land tingeln und sich nach möglichen Nistplätzen und Partnern umsehen. Und wen entdeckte ich bei der abendlichen Ringableserei? Vier (!!!!!) Isnyer von 2017! Wenn von 7 Jungstörchen vier gesund und munter am Geburtsort beobachtet werden können, das ist doch wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl! An einem Abend übernachteten alle vier gemeinsam in Isny! Ein Geschwisterpaar war auch dabei, sie übernachteten Seite an Seite auf der Nikolaikirche!
Woher die Einjährigen alle stammen, da habe ich noch nicht alle Rückmeldungen von der Vogelwarte erhalten. Es waren einige vom Affenberg bei Salem dabei, Markdorf war dabei und natürlich viele
Störche hier aus Oberschwaben. Einer von 2017 aus Bad Waldsee hat uns auch besucht, da hat sich die Patentante besonders gefreut. Aber es waren auch Störche aus Österreich und der Schweiz dabei.
Als die Einjährigen weitergezogen waren, kamen ab Anfang August die von 2018 zu uns. Und es wurden von Abend zu Abend mehr, 30, 60, 80, .....und am vergangenen Wochenende waren es an jedem Abend über 120 Rotbeine, die bei uns einen Schlafplatz suchten - es war einfach nur gigantisch, Störche, wohin das Auge blickte, so was muss man mit eigenen Augen gesehen haben. Das war viel Arbeit mit Ringe ablesen, aber es hat sich gelohnt. Die Rückmeldungen aus Oberschwaben werde ich erst am Jahresende erhalten, aber aus Bayern sind schon Meldungen eingegangen. Ein junger Storchengast war aus Raisting, dann waren noch zwei aus Franken dabei, einer aus Merkendorf, (da hatte ich im April schon einen Einjährigen hier) und einer ist in Leutershausen, Ortsteil Weißenkirchberg geschlüpft.
Vor drei Tagen waren es nur ca. 30 Gäste, dann wieder ca. 80 (ich kann immer nur schätzen, denn die fliegen bei Anbruch der Dunkelheit immer noch hin und her, jagen sich um die Dächer und streiten um die vermeintlich besten Schlafplätze). Heute, an einem sehr stürmischen Abend mit dicken schwarzen Wolken am Himmel, habe ich nur über die Webcam beobachtet - es sitzen kaum Störche auf den Dächern.
Leider gibt es nicht nur positive Meldungen. Wir hatten innerhalt der letzten 7 Tage 2 Todesfälle am Strommasten, da wurde der Strombetreiber gleich aktiviert, damit der Strommast gesichert wird. Und dann gab's gestern noch ein Verkehrsopfer. Wenn so viele junge, unerfahrene Fluganfänger unterwegs sind, da muss man leider immer wieder mit solchen Hiobsbotschaften rechnen.
Ich zeige nur ganz wenige Bilder, wer sich für die vielen Störche in Isny interessiert, kann gerne einen Blick ins Isnyer Storchentagebuch werfen. isny.tv, dann links Tagebuch anklicken.
Aus Zeitgründen kann ich die Bilder nicht noch mal alle hochladen. Ich werde versuchen, es in Zukunft zeitgleich hinzukriegen.
Dann hatten wir gestern wieder ein Sorgenkind! Ein unberingter Jungstorch saß schon seit drei Tagen auf dem Dach eines Einfamilienhauses in einem kleinen Dörfchen ca. Kilometer von Isny entfernt. Die besorgten Bewohner der Gemeinde holten sich von überall Rat ein, was man mit dem Storch machen sollte. Alle Experten waren sich einig, man kann den Storch nicht vom Dach holen, er muss in aller Ruhe aus eigener Kraft nach unten segeln. Jede Anfahrt mit der Feuerwehrleiter etc. würde den Storch in Panik versetzen, bei der Flucht könnte er sich ernsthaft verletzen. Verständlich, man leidet mit, wenn ein Storchenkind bei tropischen Temperaturen auf dem Dach steht. Wasser erhielt er mit dem Gartenschlauch, das die besorgten Storchenfreunde nach oben spritzten, die hochgeworfenen Forellen rührte er nicht an. Gestern dann der Anruf, der Storch wollte wegfliegen, kam aber nur bis in den Garten des Nachbarhauses. Ich habe inzwischen für solche Fälle ein Storchennotfallset bereitstehen, mit allen Utensilien, die man eventuell für die Storchenrettung/Bergung brauchen könnte. Der Storch war extrem gut zu Fuß, ich musste ihn durch Gestrüpp und Brennesseln verfolgen, bevor ich ihn festhalten konnte. Dann kam der Storch zuerst mal zu uns in die Garage, dort habe ich für solche Notfälle einen kleinen "Stall" aufgebaut, Storchenfutter lagert auch immer im Gefrierschrank. Der Storch hatte keine offensichtlichen Verletzungen - das war schon mal gut. Er zuckte nur ab und zu mit dem linken Flügel, gebrochen war aber ganz sicher nichts (sonst wäre er ja gar nicht erst auf's Dach gekommen) Dann flösste ich "Karlsson", so wurde er getauft, weil er "vom Dach" kam zuerst Wasser mit einer kleinen Spritze in den Schnabel, das er dankbar schluckte. Er war zuerst völlig platt, lag nur in seiner neuen Umgebung, aber nach zwei Stunden weckten sich die Lebensgeister, er stand auf, ruhte sogar auf einem Bein - ein gutes Zeichen! Ich hatte mit der Storchenstation auf dem Affenberg in Salem telefoniert und von unserem Pflegestorch berichtet, und wir vereinbarten, dass ich ihn heute nach Salem bringen sollte. Karlsson machte einen recht fitten Eindruck, kniete sich in seiner Hundebox (ideal für den Storchentransport) immer wieder hin und guckte zum Fenster raus, ich konnte ihn im Rückspiegel beobachten. Roland Hilgartner, der Leiter der Station, untersuchte ihn gleich und gab grünes Licht. Zum Glück keine Verletzung am Flügel, nur völlig erschöpft. Er sieht das zur Zeit bei vielen Jungstörchen und vermutet, dass die Storcheneltern wegen der anhaltenden Trockenheit ihre Jungen nicht mit ausreichend Nahrung versorgen konnten. Karlsson kann sich in der Pflegestation in der großen Voliere erst mal erholen, wird dort aufgepäppelt, erhält auch einen Ring. Herr Hilgartner ist zuversichtlich, dass Karlsson recht bald wieder in die Freiheit entlassen werden kann. Glück im Unglück für Karlsson vom Dach!
Karlsson vom Dach ist zu Karlsson im Garten geworden, er sieht doch ganz fit aus
...in der Hundebox
...bei uns in der Garage im kleinen Storchenstall
Eintagsküken steht er noch recht skeptisch gegenüber...
Karlsson ist startklar für die Fahrt nach Salem
...Karlsson ist auf dem Affenberg in Salem angekommen...
...nach der Untersuchung durch Herrn Hilgartner flüchtete Karlsson sofort durch die Türe raus ins Grüne - in die Voliere zu seinen Kumpels
...und bald wird er hoffentlich mit den anderen zusammen oben auf den Dächern der Station sitzen!
LG
Ulli